Geschichte

Entwicklung des Obstbaus an der „Fahner Höhe“


1654 kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg soll es in Kleinfahner nur kleine Herbstschlehen gegeben haben

1722 die Herren von Seebach ließen sich Gärten mit guten Obstsorten anlegen, sogar Feigen wurden angepflanzt, es wurde angeordnet, dass bei Eheschließung ein Obstbaum zu pflanzen ist, Baumfrevel und Rodungen von Obstbäumen wurden hart bestraft

1753 der Vorgänger von Pfarrer Sickler - Pfarrer Reibstein - erwähnte schon, dass es in Kleinfahner feine Gärten gibt und rund um`s Dorf und im Felde Obstbäume stehen, oft gab es allerdings großen Schaden durch Raupenfraß

1765 kurz nach dem Siebenjährigen Krieg wurden bereits in Witterda – Versorgungsdorf des Erfurter Doms - Kirschbäume gepflanzt. Dies blieb relativ unbekannt durch die Zugehörigkeit der Orte an der Fahner Höhe zu verschiedenen Ländern und durch die unterschiedlichen Konfessionen

1770-1820 Johann Volkmar Sickler (1742-1820) wirkte in Kleinfahner. Bei seinem Eintreffen war schon gewisser Obstbau vorhanden, sein Verdienst besteht in der systematischen Einteilung der Obstsorten, er gilt als der Begründer des Obstbaus an der „Fahner Höhe“.

1789 Sickler unternahm Versuche zur Obstverarbeitung und errichtete eine Obstwelke, es blieb ein Versuch

1791 in Kleinfahner wurden die ersten 15 Süßkirschstämmchen gepflanzt, Sickler bezog sie aus dem Taunus von Oberpfarrer Christ aus Kronberg („Flamentiner“ und „Türkine“), vor 1791 wurden traditionell Äpfel, Birnen und Zwetschen angepflanzt, dieses Jahr gilt als Beginn des Süßkirschenanbaus an der „Fahner Höhe“. Sickler konnte nur drei Bauern für den Obstbau gewinnen (Bufleb, Schierschmidt, Burkhardt) - andere Bauern standen dem Obstbau nicht aufgeschlossen gegenüber

Versuchsfelder des Naumburger Domprobstes Friedrich Wilhelm von Seebach (Eigentümer des Kleinfahnerschen Gutes) in der „Haungrube“ und Sicklers am „Kirchberg“ sollten zeigen, welche Kirschsorten an der Fahner Höhe den besten Ertrag bringen

1794-1804 verfasste Sickler den „Teutschen Obstgärtner“ (22 Bände)

Napoleonische Kriege: zerstörten an der Fahner Höhe die Aufbauarbeiten von Jahrzehnten. Durchziehende Truppen der Franzosen, vor allem unter Marschall Ney, und auch die Kossacken verwüsteten die Plantagen und benutzten die Obstbäume als Brennholz. Es dauerte lange, bis sich der Obstbau davon wieder erholte.

1866 die Verbindungsstraße zwischen Gierstädt und Kleinfahner wurde mit Süßkirschen besetzt

1874 Herr Bißmann aus Gotha wurde durch die herzogliche Landesregierung zur Betreuung des Obstbaus eingesetzt, seine Ratschläge wurden befolgt von Degenhardt, Kaufmann und Reichardt

1878 am 14.11.1878 unternahmen die Gierstädter Bauern den 1.Versuch der gemeinschaftlichen Arbeit, Gründung einer bäuerlichen Genossenschaft (gemeinsamer Kauf und Nutzung von Geräten und Maschinen sowie die Organisation des gemeinsamen Absatzes der Ernte), dies dauerte nicht lange, so scheiterte z.B. ein Schaupflügen mit einem neuen Dampfpflug an der damaligen Größe der Felder und der Gutsherr kaufte diesen den Bauern lächelnd zum halben Preis ab.

1890 die „richtige“ Zeit begann  mit der Bildung von Obstbauvereinen - diese wurden durch die herzogliche Regierung in Gotha und Ingenieur Bißmann gefördert, es wurden Obstausstellungen organisiert („Linde“ in Döllstädt), es fanden Lehrgänge, Vorführungen, Gerätevorführungen, Exkursionen sowie ein
Kirschpackkurs statt: richtig verpackt erzielte man in Kassel, Hannover mindestens 14 Mark/Zentner (vorher waren nur 2-5 M/Z möglich)

1890 Lehrer Apel gilt als Pionier bei der Gründung des Vereins in Döllstädt
           
1892 Gründung des Vereins in den Fahner Dörfern (Pioniere hier : Degenhardt, Kaufmann, Reichard aus Kleinfahner), gefördert durch die herzogliche Regierung in Gotha, die den Garteningenieur Bißmann einsetzte

1894 20.6.1894 - in den bestehenden Landwirtschaftskammern wurden Garten- und Obstbauabteilungen gebildet, mit behördlicher Förderung entstanden große Obstbaugebiete (Alpenlande, Fahner Höhe, Taunus)        

1902 Gründung des Obstbauvereins „Fahner Höhe“

1908 in Eisenach tagte der Deutsche Pomologischer Verein - ein Tag wurde zur Besichtigung des Fahnerschen Obstbau genutzt

vor 1. Weltkrieg in Gierstädt und Kleinfahner gab es ca. 6500 Kirschbäume an der „Fahner Höhe“ ca. 20000 Stück dazu 4000 in Ballstädt, durch schlechte Rentabilität ging der Bestand zurück, es gab keine Neupflanzungen; auch durch den starken Winter 1916/17 und den Krieg ging es stets abwärts

1.WK brachte Rückschlag; Männer an der Front und der strenge Winter 1916/17 tat ein übriges
 
1919 bewährte Sorten in Kleinfahner: Kassins, Boizenburger, Rivers, Dolts Zwiebel, Schöne v. Marienhöhe, Poppelsdorfer; bewährte Unterlage: hellrindige Vogelkirsche, bevor veredelte Bäume gepflanzt wurden, hat man früher Wildlinge gepflanzt und diese erst nach gewisser Standzeit veredelt, Süßkirschen auf Vogelkirsche wurden 70-100 Jahre alt mit einem Ertrag von 7 Z/Baum
      
Zwischen den Weltkriegen Krise, nach dem 1.WK auch bedingt durch gesättigten Markt mit ausländischem Obst, Preissturz

1934 erst ab jetzt entstanden mit staatlicher Unterstützung moderne, neue - auch Niederstammanlagen - diese Entwicklung kam allerdings mit Ausbruch des 2.WK zum Stillstand und durch strengen Winter 1941/42 zum Rückgang

1945 mit Ende des 2.WK fehlten Männer, um Obstbau aufzubauen, die Bestände waren überaltert, die 60-100-jährigen Bäume hatten 2-3 Generationen überlebt, Stillstand der obstbaulichen Entwicklung bis ca. 1965

1948 Fahner Gebiet: 938 Bewirtschafter, 376 ha Obst (meist <10ha) durchschnittlich 0,63 ha/Betrieb, (nach sozialistischer Umgestaltung = ca.63 ha/Betrieb

15.10.1952 wird LPG „1.Mai“ in Döllstädt gegründet (24 Mitglieder, 83 ha),
               
13.01.1953 wird LPG „Karl Marx“ Typ I in Großfahner gegründet (18 Mitglieder, 47 ha)

21.05.1953 wird LPG „Neues Leben“ in Dachwig gegründet (7 Mitglieder, 18 ha)

15.01.1958 wird die LPG „Karl Liebknecht“ in Kleinfahner gegründet (5 Mitglieder)

28.06.1958 wird die LPG „Fahner Höhe“ in Gierstädt gegründet (9 Mitglieder, 33,42 ha)

Mitglieder wurden belächelt, bedauert, offen und anonym bedroht, verhöhnt und gegenseitig ausgespielt. Bereits am 18.9.1958 traten deshalb schon zwei Mitglieder wieder aus. Zum Jahresende verschärfte sich die Situation und die LPG drohte, auseinander zu fallen. Zur Frühjahrsbestellung 1959 kamen jedoch weitere 7 Mitglieder dazu, auch die zwei, die im Herbst 1958 austraten, wurden wieder Mitglied. Die LPG „Fahner Höhe“ übernahm auch den Wald, der Gierstädt nach der Bodenreform zugeteilt wurde (Zusammenfassung in einer Waldgemeinschaft).

Zu den ersten gekauften Maschinen und Geräten gehörten:
            1 Schlepper „Brockenhexe“ 4000,- Mark
            1 Melkanlage 3000,-
            1 Magermilcherhitzer 1200,-
            1 Dämpfanlage 1500,-
            1 Dungkran 9500,-
            1 Tabakfädelmaschine 1200,-
            1 Düngermühle 900,-

Bis 31.12.1964 wurde ein Stand an Bauten und baulichen Anlagen erreicht, darunter u.a.:
            Neubau Schweinestall  29000,-
            Lagerhalle 36000,-
            Getreidesiloanlage 75000,-
            Unterstellschuppen 13000,-
            Fuhrwerkwaage 7000,-
            Bienenhaus 16000,-

LPG verfügte Ende 1964 über folgende Maschinen:
            1 Schlepper Belarus 45 PS     
            1 Schlepper Famulus  40 PS
            1 Schlepper Famulus  36 PS
            1 Schlepper ITM 35 PS
            1 Schlepper Lanz 25 PS
            1 Schlepper GT 124 22 PS
            1 Schlepper Brockenhexe 22 PS
            1 Geräteträger RS 09  18 PS
            1 Schlepper Normag  18 PS
            1 Baudumper 6 PS
            7 Traktorenanhänger (darunter 3 Kipper)#


Die Veränderung 1964 gegenüber 1960 stellt sich folgendermaßen dar:
Bezeichnung           1960                1964
Fläche                     154,29             268,80
Pferde                          7                    10
Rindvieh gesamt      110                 191
Schweine gesamt    175                 502
Bienenvölker               6                   80

1960 „Sozialistischer Frühling“, im Herbst entstand die 1. geschlossene Kirschanlage, in der LPG „Fahner Höhe“ in Gierstädt sind von den 164 ha Landwirtschaftlicher Nutzfläche (LN) 28 ha Obst (Süßkirsche, Sauerkirsche, Apfel, Birne) 1960 war der genossenschaftliche Zusammenschluss im Anbaugebiet „Fahner Höhe“ abgeschlossen

1966 LPG „Fahner Höhe“ hat 105 Mitglieder und 299 ha LN, davon 62 ha Obst und gehört zur Kooperationsgemeinschaft Fahner Obst (Kooperationsgemeinschaft „F.O.“ insgesamt: 1207 Mitglieder, 3954 ha LN, davon 436 ha Obst)

1970 „Das Volk“ berichtet am 17.7.1970: in LPG „Fahner Höhe“ in Gierstädt werden täglich 30 dt Süßkirschen geerntet (4000 dt/Jahr), Hauptproduktionszweig der LPG ist der Obstbau, daneben gibt es aber noch Pflanzen- und Tierproduktion

1971 geeignete Süßkirschsorten aus 1971-er Sicht: Meckenheimer Frühe, Kassins Frühe, Knauffs Schwarze, Werdersche Braune, Teickners, Badacsoner, Spansche Knorpel, Farnstädter Schwarze, Altenburger Melonenkirsche, Große Schwarze Knorpel, Hedelfinger

1973 am 1.1. gliedert die LPG „Fahner Höhe“ ihre Obstflächen aus, es wurde die Kooperative Abteilung „Fahner Obst“ gebildet (605,5 ha zu diesem Zeitpunkt), durch Zusammenfassung der Obstbaubrigaden der im Bereich der „Fahner Höhe“ bestehenden LPG-en entstand die Kooperative Abteilung „F.O.“, die ab 1.7.1975 als LPG „F.O.“ tätig war

1975 1.7.: juristische Selbständigkeit der LPG „Fahner Obst“, 223 Mitglieder, 918 ha LN, davon 892 ha Obst, Jahresproduktion 3048 t, die LPG ist Mitglied im Kooperationsverband „Thüringer Obst“

1976 im Lager für Erholung und Arbeit gab es ab jetzt Bungalows, am 14.5.1976 wird der 1.Bauabschnitt der Obstlager-und Vermarktungsstation und ein dazugehöriges Sozialgebäude übergeben

1978 10.1.: es wird im Sozialgebäude eine Betriebssanitätsstelle mit Arztsprechstunde eingerichtet

1980 das Ledigenwohnheim ist fertig gestellt,

1983 das Lehrlingswohnheim ist fertig gestellt, außerdem bestanden zu diesem Zeitpunkt weitere soziale Einrichtungen, wie z.B. Kinderkombination in Dachwig, Kindergarten Gierstädt, Konsum, Zahnarztpraxis u.a.,

1985 die Verarbeitung kommt richtig in Gang, jetzt wird Folgendes produziert: Pulpe, Mark, Vergärung von Obstrückständen und Brennen zu Feindestillaten

1986 die Verarbeitung bezieht eine Obstpresse aus Rumänien (Leistung 2,5 t Äpfel/h)

22.5.1986  Erich Honecker besucht die LPG „Fahner Obst“ (Begrüßung durch 4000 Einwohner des Gemeindeverbandes, ein Apfelbaum der Sorte „Pinova“ wird vor der     Betriebsgaststätte gepflanzt, E.H. wird zum Ehrenobstbauern der LPG ernannt), bis zu diesem Tage war die nach dem 1. Mai begonnene „Entrümpelung“ in der LPG beendet. Alle Ecken waren aufgeräumt, die Straßen gekehrt, Sauberkeit und Ordnung nach langer, langer Zeit wieder eingekehrt. Ordnungsliebende waren darüber sehr erfreut und wünschten sich nur deswegen öfter höheren Besuch.

1988 Die Saftlinie der Verarbeitung, 1986 begonnen, wurde mit einer Investitionssumme von 4 846 TM fertig gestellt

1989 „Wende“

Anbauverhältnis  1989
Obstart           Fläche in ha   Obstbäume
Apfel                  1228,92        1 430 818   
Birne                     38,39           23 822       
Süßkirsche          385,64         118 991   
Sauerkirsche       270,56         171 532   
Pflaume               164,77           77 290       
Pfirs./Aprik.            6,30             4 341       
Ges.                     2094,58      1 826 794   

1991 200 Jahre Süßkirschanbau an der „Fahner Höhe“

11.10.1990 Gründung Fahner Obst e.G.

9.1.1991 Gründung der Obstbaugenossenschaften

14.9.1993 Gründung der Fahner Obstbau GmbH

2010 Anbaustruktur der Obstbaubetriebe von Fahner Obst


  

2020 200. Todestag Johann Volkmar Sickler

2021 230 Jahre Obstanbau an der Fahner Höhe

2022 280. Geburtstag Johann Volkmar Sickler